
Bayern "Angriff auf die Umwelt": Streit im Landtag über Bürokratieabbau
Weniger Bürokratie will die Staatsregierung durch ein neues Gesetz erreichen. Grüne und SPD warnen vor einer Politik gegen die Natur: Neue Skipisten und Schneekanonen würden erleichtert. Die CSU widerspricht, die AfD freut sich aufs Skifahren.
Der bayerische Grünen-Abgeordnete Johannes Becher kommt schon in den ersten Sekunden seiner Rede im Landtag zum Kern seiner Kritik: "Dieses Gesetz ist ein Angriff auf die Umwelt und insbesondere auf die natürliche Vielfalt und einzigartige Schönheit der bayerischen Berge." In ihrem dritten Modernisierungsgesetz wolle die Staatsregierung "unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus" dafür sorgen, dass der Bau neuer Skipisten, neuer Beschneiungsanlagen, neuer Skilifte in Zukunft deutlich erleichtert werde.
Schwellenwerte für Umweltverträglichkeitsprüfungen würden so weit angehoben, dass Projekte "nicht mehr mit der Umwelt verträglich sein müssen". Naturschutzverbänden drohe der Verlust ihrer Mitwirkungsrechte. "Baum-Umarmen war gestern, die Beton-CSU ist zurück und mit ihr die Freien Helfer", schimpft Becher.
Staatskanzleichef lobt "Spirit" der Entbürokratisierung
Nach den ersten beiden Modernisierungsgesetzen der Staatsregierung soll auch das dritte Bürokratie abbauen. Bayern gehe den Weg der Entbürokratisierung "erfolgreich" weiter, betont Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) im Plenum. Es gehe um den "Spirit" der "Normen-Disziplin", um das Ziel, weniger zu regulieren. Das dritte Gesetz betrifft laut Herrmann eine Reihe von Bereichen: Zuwendungsrecht, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Emissionsschutz, Brandschutz, Baurecht.
Grüne: "Bewahren, nicht betonieren"
Becher konzentriert sich auf die Umwelt: Künftig solle eine Umweltverträglichkeitsprüfung für neue Skipisten zum Beispiel erst ab 20 Hektar statt bisher zehn nötig sein. In Schutzgebieten ab zehn statt fünf Hektar. "Da werden Skipisten ermöglicht, als wenn es diesen Klimawandel einfach nicht geben würde."
Für die Staatsregierung sei es offenbar "modern", eine Politik gegen die Natur zu machen. "Wenn dies modern sein soll, dann bin ich gern konservativ: bewahren, nicht betonieren." In Zeiten von Klimawandel, weniger Schneesicherheit und drohender Wasserknappheit sei es "komplett absurd", Umweltstandards zu senken.
SPD: Zeichen der Zeit nicht verstanden
Die SPD fordert mehr Nachhaltigkeit statt "Übertourismus": Kopenhagen, Paris und Venedig hätten es verstanden – genauso wie manche bayerische Kommune. Bad Hindelang zum Beispiel wisse, "der Klimawandel ist da, Schnee wird immer weniger", sagt die Abgeordnete Anna Rasehorn und kritisiert: Die Staatsregierung habe die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Der Gesetzentwurf bedeute eine akute Bedrohung für die Bergwelt, es drohe ein "Verscherbeln" der Alpen. "Der Umweltschutz wird zurückgefahren, damit ein paar Leute noch auf den letzten Metern Reibach machen können", bemängelt Rasehorn. Der Klimawandel werde Skifahren in den bayerischen Alpen sehr schnell unwirtschaftlich machen.
CSU hält Warnungen für unbegründet
Dagegen wirft der umweltpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Alexander Flierl, die Frage auf, "warum bei uns die Schwellenwerte niedriger sind als in unseren Nachbarländern, obwohl dort die gleichen europarechtlichen Vorgaben gelten?" Die Antwort könne nur eine Anhebung der Schwellenwerte sein, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Warnungen vor einer Aushöhlung der Umwelt- und Naturschutzstandards hält Flierl für unbegründet: Auch ohne Umweltverträglichkeitsprüfung müssten die Auswirkungen auf die Natur berücksichtigt werden. Flierl bezeichnet als "gut und richtig", dass Vorschriften durchforstet wurden, um bürokratische Vorgaben zu reduzieren – "ohne die großen Schutzgüter aus dem Auge zu lassen".
Freie Wähler: Prozesse effizienter gestalten
Es sei "ein starkes Stück, uns einen Angriff auf die Natur und die Umwelt zu unterstellen", betont Freie-Wähler-Umweltexpertin Marina Jakob. "Wir setzen keine Umweltprüfungen aus, wir heben lediglich die Schwellenwerte an."
Es gehe bei dem Gesetzentwurf ohnehin um viel mehr. Ein zentrales Element sei die Änderung der Bauordnung. Wer eine größere Wohnung in zwei kleinere aufteilen möchte, könne das ohne langwieriges Verfahren machen, erläutert Jakob. Außerdem hätten Vereine bei Förderungen von bis zu 10.000 Euro künftig keine aufwendigen Nachweispflichten mehr. Gleiches gelte für Kommunen bei Förderungen bis 100.000 Euro.
AfD-Abgeordneter freut sich aufs Skifahren
Der AfD-Abgeordnete Gerd Mannes würde sich über mehr Pisten freuen: "Ich finde es gut, dass man hier in Zukunft noch Ski fahren kann. Dann braucht man ja nicht so weit fahren nach Amerika, nach Südtirol."
Im dritten Modernisierungsgesetz sieht Mannes durchaus den Versuch der Staatsregierung, "die selbstverschuldete Überregulierung" zurückzudrängen. Allerdings handle es sich "um kleine Korrekturen". Einen "freiheitlichen Rundumschlag", wie von Elon Musk in den USA, gebe es in Bayern nicht.
Nach der ersten Lesung im Plenum soll das Gesetz nun im Umweltausschuss diskutiert werden. Grüne und SPD kündigen bereits massiven Widerstand an.
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Quelle: BR24 im Radio 13.05.2025 - 19:20 Uhr