
Bundeskanzler Merz sieht AfD-Verbotsverfahren "sehr skeptisch"
Die Rufe nach einem Anlauf zu einem AfD-Verbotsantrag werden lauter. Kanzler Merz ist aber nicht überzeugt. Das rieche zu sehr nach "politischer Konkurrentenbeseitigung".
Bundeskanzler Friedrich Merz sieht die Rufe nach einem AfD-Verbotsverfahren nach eigenen Worten "sehr skeptisch". "'Aggressiv kämpferisch' gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu arbeiten, das muss nachgewiesen werden. Und die Nachweispflicht liegt ausschließlich beim Staat", sagte der CDU-Vorsitzende der Wochenzeitung "Die Zeit".
Er habe sich innerlich immer dagegen gewehrt, aus der Mitte des Bundestages heraus Verbotsverfahren zu betreiben. "Das riecht mir zu sehr nach politischer Konkurrentenbeseitigung", so Merz.
Hochstufung der AfD
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Dagegen geht die AfD juristisch vor. Die Einstufung ist daher ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen entsprechenden Eilantrag entschieden hat. Die sogenannte Stillhaltezusage gilt als verfahrenstechnische Entscheidung und bedeutet damit nicht, dass das BfV seine Meinung nun geändert hat.
Die Hochstufung durch den Verfassungsschutz hat aber die Debatte über ein Verbotsverfahren gegen die Partei erneut in Gang gebracht. Ein Parteiverbotsverfahren kann nur von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung initiiert werden. Die schlussendliche Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt beim Bundesverfassungsgericht. Ein erster Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren hatte im Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode keine Mehrheit gefunden, auch weil viele Abgeordnete zuerst die Bewertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz abwarten wollten.
Merz: Bericht "ohne sachliche Prüfung"
Merz kritisierte den Umgang der Vorgängerregierung mit dem Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zur AfD. "Ich bin nicht glücklich mit dem Ablauf dieses Verfahrens", sagte er. "Da wird von der alten Regierung ohne sachliche Prüfung ein Bericht vorgestellt, der gleichzeitig als Verschlusssache eingestuft ist." Den Inhalt des Berichtes kenne er nicht. "Ich will ihn ehrlich gesagt auch nicht kennenlernen, bevor nicht das Bundesinnenministerium daraus eine Bewertung abgeleitet hat." Das werde nach seiner Einschätzung Wochen und Monate vergehen.
Im Interview mit der "Zeit" betonte Merz aber seine "Distanz" zur AfD - aber auch zur Linken. "Bei der AfD kommt hinzu, dass ich auch das Benehmen als unappetitlich empfinde."
Auch Söder gegen Verbotsverfahren
Unterstützung erhielt der Bundeskanzler in seiner Position auch von CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident stellte sich im Nachrichtenmagazin Focus erneut klar gegen ein AfD-Verbotsverfahren: "Die AfD ist der Systemfeind und will unsere Demokratie zerstören. Ein Verbotsverfahren löst aber keine Probleme. Es wäre juristisch umstritten, schwer durchsetzbar und würde am Ende womöglich einen falschen Märtyrerstatus begründen."
Die AfD sei kein juristisches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen. "Wir müssen sie inhaltlich stellen, durch gutes Regieren widerlegen und ihre rechtsextreme Gesinnung entlarven. Das gilt nicht nur beim Thema Migration, sondern auch, indem wir bei sozialen Fragen und in der Identitätspolitik die richtigen Schwerpunkte setzen", sagte Söder.
CSU-Chef fordert Finanzprüfung
Der CSU-Chef forderte in dem Interview auch, dass die Finanzen der AfD einer Prüfung unterzogen werden. "Der Aufwand der AfD auf Social Media ist laut Experten kaum mit den normalen Mitteln der Parteienfinanzierung zu stemmen. Wird das Geld also in Deutschland akquiriert, oder kommt es vielleicht woanders her?", fragte er.
Auf die Frage, ob er glaube, dass die AfD Geld aus Moskau erhalte, blieb Söder in dem Interview aber vage. "Die Wege des Geldes sollten jedenfalls genau überprüft werden."
Die AfD klagt gegen die Hochstufung. Wegen der rechtlichen Befassung hat der Verfassungsschutz nun eine "Stillhaltezusage" abgegeben. Das bedeutet, dass es die Einstufung bis zu einer juristischen Klärung im Eilverfahren vorläufig aussetzt und auch die Pressemitteilung dazu löscht. Gleichzeitig hat das Amt damit aber keine Aussage zur Sache getroffen. Die Stillhaltezusage ist also kein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben. Sie sagt auch nichts darüber aus, wie groß die Erfolgsaussichten von AfD-Eilantrag und -Klage sind.
Begründet hatte der Verfassungsschutz die Hochstufung in der Pressemitteilung zuvor unter anderem so: "Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar." Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen.
Während mehrere AfD-Landesverbände bereits seit Längerem als "gesichert rechtsextremistisch" bewertet werden, galt die Gesamtpartei zuvor als sogenannter Verdachtsfall. Der neuen Einstufung ging eine dreijährige Prüfung durch den Verfassungsschutz voraus.