
Krieg gegen die Ukraine Verhandlungen in der Türkei - auch ohne Putin?
Direkte Gespräche mit Russlands Präsident Putin - das war die Bedingung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Ist ein Treffen zwischen beiden Ländern auch ohne den Kreml-Chef möglich? Und was könnte besprochen werden?
Praktisch täglich wiederholt Wolodymyr Selenskyj derzeit eine Kernbotschaft - die Ukraine sei sofort zu einem 30-tägigen Waffenstillstand bereit. Und zwar seit über zwei Monaten. Das betonte Selenskyj auch auf einer Pressekonferenz in Kiew. Die Botschaft an die Welt: Nicht die Ukraine verhindere ein Ende der Kämpfe, sondern Russland.
Zudem schilderte Selenskyj seine Pläne für Donnerstag: "Mit Präsident Erdogan ist abgesprochen, dass wir uns am 15. Mai in der türkischen Hauptstadt treffen, also Ankara. Wir werden in der Türkei auf Putin warten. Wenn Putin nur nach Istanbul fliegen will, ist die türkische Seite bereit, zusammen mit uns auch nach Istanbul zu weiterzureisen."
Was bedeutet Putins Absage für das Treffen?
Nachdem Wladimir Putin ein westliches Ultimatum für eine 30-tägige Feuerpause ignoriert und stattdessen gesagt hatte, Russland stehe für Gespräche mit der Ukraine ab Donnerstag in der Türkei zur Verfügung - konterte der ukrainische Selenskyj, genau dort Putin persönlich treffen zu wollen.
Moskau hat mittlerweile erklärt, eine Delegation nach Istanbul zu schicken - doch der Kreml-Chef gehört ihr nach offiziellen Angaben nicht an. Was das für den Tagesablauf bedeutet, ist nicht abschließend klar. Selenskyj hatte erklärt, selbst nur mit Putin sprechen zu wollen, weil nur dieser in Russland Entscheidungsmacht habe.
Treffen auf niedrigerer Ebene?
Möglich ist dennoch ein Treffen der beiden Delegationen auf niedrigerer Ebene. Doch welche Inhalte würden überhaupt besprochen? Während die Ukraine weiterhin zunächst auf einer Feuerpause besteht, könnte Russland versuchen, Kiew weitergehende Aspekte abzuringen, wie etwa Territorialfragen.
Im Gespräch mit dem ARD-Studio Kiew warnt der frühere ukrainische Außenminister Wadym Prystajko deshalb: "Dieses Treffen birgt für die Ukraine auch ein hohes Risiko. Denn wenn von außen jeder ein zügiges Ende der Kämpfe erwartet, muss Präsident Selenskyj enorm aufpassen, um nicht allzu sehr einzulenken."
2019 trafen sich Putin und Selenskyj das einzige Mal
Sprich: sich nicht gleich zu großen Zugeständnissen drängen zu lassen. Als Selenskyj im Jahr 2019 unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich das bisher einzige Mal auf Putin traf, war Prystajko Teil der ukrainischen Delegation. Der erfahrene Diplomat weiß, wie Russland tickt.
Noch vor der Verkündung, dass Putin nicht nach Istanbul reisen werde, hatte er prophezeit, dass dies folgendes bedeuten würde: "Sie wollen der Welt zeigen, dass die Verhandlungen in Istanbul vor drei Jahren der Ausgangspunkt sind. Trotz der massiven Verluste seitdem glauben sie immer noch, dass sie diesen Startpunkt durchsetzen können - obwohl dies damals vollkommen inakzeptabel für die Ukraine war."
Ukraine brauche Partner
Die damaligen Forderungen wären praktisch auf eine Kapitulation der Ukraine hinausgelaufen. Immer wieder hat Russland seit dem Frühjahr 2022 fälschlicherweise erklärt, die Ukraine und der Westen hätten seinerzeit einen Waffenstillstand verhindert.
Für Wadym Prystajko gilt damals wie heute - in jeglichen Verhandlungen benötige die Ukraine Partner an ihrer Seite. Die USA hätten den Fehler gemacht, von der strikten Forderung gegenüber Russland nach einer sofortigen Waffenruhe abzurücken. Prystajko hebt aber auch hervor, dass er sich außerdem Europa am Verhandlungstisch an der Seite der Ukraine wünschen würde.
Selenskyj hofft auf Sanktionen aus Europa und USA
Eine Stärkung vonseiten Europas erwartet Wolodymyr Selenskyj in Form der angedrohten härteren Sanktionen gegen Moskau. Ähnliche Hoffnungen setzt er weiterhin auch in die USA - sollte der Tag in der Türkei keine Resultate hervorbringen.
Mit genau diesem Szenario rechnet der Politologe Wolodymyr Horbatsch, wie er dem Sender "Espreso TV" sagte: "Im Grunde sehen wir derzeit einen Kampf der Ultimaten. Ein endloser Austausch von Forderungen. Ich denke, dieser blutige Krieg wird mindestens bis Herbst andauern."